Für Ihre und unsere Sicherheit

Eine schon mehrere Jahrzehnte alte Verordnung der Unfallkassen soll zukünftig konsequenter umgesetzt werden. Grund dafür sind immer häufiger auftretende Gefährdungen sowie Schwierigkeiten bei der Leerung der Abfallbehälter. Das bedeutet, dass Entsorgungsfahrzeuge in Straßen ohne Wendemöglichkeit nicht mehr rückwärts einfahren dürfen. 

Die Straßenverkehrsordnung legt eindeutig fest, dass ein Fahrzeugführer sich beim Rückwärtsfahren so zu verhalten hat, dass eine Gefährdung anderer ausgeschlossen ist. Trotzdem ereignen sich bei der Abfallentsorgung immer wieder schwere Unfälle mit oft tödlichen Folgen.
Schwachstellen sind vor allem Wendemanöver und Rückwärtsfahrten der sperrigen Fahrzeuge. Weil diese besonders hoch sind und lange Hecküberstände haben, bildet das Rückwärtsfahren auch für erfahrene Fahrer ein großes Risiko. Zwar sind inzwischen zusätzliche Spiegel an den Fahrzeugen vorgeschrieben, doch lassen tote Winkel sich trotzdem nicht hundertprozentig vermeiden.

Enge Straßen

Zu den größten Unfallrisiken zählen enge Straßen. Häufig sind Zufahrten gerade zu Wohngebieten als Sackgassen ohne ausreichende Wendefläche gestaltet. Aber selbst wenn es eine Wendemöglichkeit gibt, ist diese oftmals zugeparkt oder der befahrbare Bereich der Straße ist durch parkende Fahrzeuge so eng, dass das Abfallsammelfahrzeug nicht hineinfahren kann.

Das Problem wird durch eine steigende Zahl parkender Fahrzeuge und unzulänglich zurückgeschnittener Hecken und Sträucher, die die Fahrbahn zusätzlich einengen, verschärft. Doch nicht allein das erschwert das Durchkommen. Die Müllfahrzeuge sind heutzutage deutlich länger und erheblich breiter als früher. Manche Kurve erweist sich da als große Herausforderung an den Fahrer.

Aufgrund der Gefahrenabwehr und des Arbeitsschutzes fahren Entsorgungsfahrzeuge nicht in schmale Straßen hinein. Enge Stichstraßen sind dafür nicht geeignet. Das Rückwärtsfahren und das Zurücksetzen von Abfallsammelfahrzeugen stellen aufgrund der Größe und der Unübersichtlichkeit der Fahrzeuge so gefährliche Verkehrsvorgänge dar, dass darauf verzichtet werden muss. Weitere Hintergrundinformationen zum Rückwärtsfahren von Abfallsammelfahrzeugen gibt es hier.

Deshalb wurde auch schon 1979 mit der Unfallverhütungsvorschrift (DGUV Vorschrift 43) ein wesentliches Schutzziel für die Abfallsammlung definiert, das auch heute noch Bestand hat: „Müll darf nur abgeholt werden, wenn die Zufahrt zu Müllstandplätzen so angelegt ist, dass ein Rückwärtsfahren nicht erforderlich ist“ (§ 16 Nr. 1). Die Beachtung dieser Unfallverhütungsvorschrift ist eine Verpflichtung für die Entsorgungsunternehmen. 

Lassen sich Stichstraßen nicht vermeiden, müssen ausreichend große Wendeflächen angelegt werden (Durchmesser = 22 m). Auch hier sollte ein Parkverbot bestehen und dies durch Schilder oder Markierungen deutlich gemacht sein. 

Bei der Gestaltung von Wendeplatten sollte darauf geachtet werden, dass die Fläche, die das Fahrzeug zum Wenden benötigt, nicht durch Bebauung oder Bepflanzung verkleinert wird. Begrenzungen entlang der Wendeplatte sollten Bordsteinhöhe nicht überschreiten. Nur dann hat der Überhang der Entsorgungsfahrzeuge genügend Raum.

Was steht im Gesetz?

Grundlage für die Entsorgung der Abfälle aus privaten Haushaltungen ist die Abfallwirtschaftssatzung des jeweiligen Kreises. Für die Entsorgung der Abfälle aus Gewerbebetrieben und Verwaltungen sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Abfallwirtschaftsgesellschaft maßgeblich. Diese Grundlagen regeln u. a., in welcher Weise und an welchem Ort Abfälle zu überlassen sind und unter welchen Voraussetzungen Straßen von den Entsorgungsfahrzeugen befahren werden. Grundlagen für Vorgaben bezüglich der Befahrbarkeit von Straßen sind unter anderem in den Unfallverhütungsvorschriften (früher UVV, seit 2000: Berufsgenossenschaftliche Vorschriften für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, BGV) der Berufsgenossenschaft Verkehr enthalten, die von den Fahrern der Entsorgungsfahrzeuge zwingend einzuhalten sind.

Nach den Regelungen der Abfallwirtschaftssatzung sowie den Vorgaben der Berufsgenossenschaft werden Straßen nur befahren, wenn dieses ohne Gefährdung der eingesetzten Fahrzeuge und ihrer Besatzung bzw. Anwohner und Sachen möglich ist.

Sind Straßenteile, Straßenzüge oder Wohnwege dementsprechend nicht befahrbar oder können sie nur mit unverhältnismäßigem Aufwand angefahren werden, bestimmt der Kreis nach pflichtgemäßem Ermessen, wie die Abfallentsorgung durchzuführen ist. Der Kreis ist in diesem Zusammenhang berechtigt, den nächstgelegenen Ort zu bestimmen, an dem die Abfälle vom Verpflichteten bereitzustellen sind.

Die Unfallverhütungsvorschriften (früher UVV, seit 2000: Berufsgenossenschaftliche Vorschriften für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, BGV) stellen die für jedes Unternehmen und jeden Versicherten der gesetzlichen Unfallversicherung verbindlichen Pflichten bezüglich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz dar. Die Unternehmen erstellen auf der Grundlage der berufsgenossenschaftlichen Vorgaben eigene Gefährdungsbeurteilungen, die bindend sind.

Die Unfallversicherungsträger erlassen als autonomes Recht Unfallverhütungsvorschriften über

    1. Einrichtungen, Anordnungen und Maßnahmen, welche die Unternehmer zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren zu treffen haben, sowie die Form der Übertragung dieser Aufgaben auf andere Personen
    2. das Verhalten der Versicherten zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren.

Die Unfallverhütungsvorschriften sind Verordnungen und haben damit Gesetzescharakter.

Die Unfallverhütungsvorschriften „Müllbeseitigung“ (BGV C 27) und „Fahrzeuge“ (BGV D 29) beinhalten Vorgaben, nach denen sich entscheidet, ob eine Straße mit dem Entsorgungsfahrzeug befahren werden darf oder nicht.

Straßen und Wege sollten ausreichend dimensioniert sein und keine Hindernisse aufweisen. Sackgassen sollten über geeignete Wendeanlagen verfügen. In diesem Zusammenhang wird immer wieder der § 7 der BGV „Müllbeseitigung“ zitiert, der das Rückwärtsfahren von Fahrzeugen explizit regelt. Hierzu ist anzumerken, dass sich diese Vorschrift ausschließlich auf die „normale“ Teilnahme am Straßenverkehr bezieht wie z. B. Rangierarbeiten auf dem Betriebsgelände oder an einer Tankstelle. Der § 16 der BGV „Müllbeseitigung“ ist die weitergehende Spezialvorschrift, die für die Tätigkeit des Mülleinsammelns Anwendung findet.

Ausschlaggebend für diese restriktiven Bestimmungen der Unfallverhütungsvorschriften ist das Unfallgeschehen der Vergangenheit. Zahlreiche tödliche Unfälle im Rahmen der Abfalleinsammlung haben die Berufsgenossenschaft veranlasst, Regelungen zu treffen, die das Unfallrisiko minimieren. Besonders das Rückwärtsfahren stellt für sich allein schon einen gefährlichen Vorgang dar, wobei die Unübersichtlichkeit der Entsorgungsfahrzeuge diese Gefährlichkeit noch verstärkt.

Kriterien für die Errichtung von Wendeanlagen

§ 16 der Unfallverhütungsvorschrift  „Müllbeseitigung“ (BGV C 27) legt ganz eindeutig fest, dass Müll nur abgeholt werden darf, wenn die Zufahrt zu den Müllbehälterstandplätzen so angelegt ist, dass ein Rückwärtsfahren nicht erforderlich ist. Diese Regelung hat zur Folge, dass Sackgassen, die von einem Müllfahrzeug befahren werden sollen, über eine geeignete Wendeanlage verfügen müssen. (Für Sackgassen, die vor dem 01.10.1979 [dem Inkrafttreten der UVV „Müllbeseitigung“] gebaut wurden, gelten teilweise noch Sonderregelungen. Hierbei ist zu beachten, dass diese Sonderregelungen entfallen, wenn Änderungen oder Umbaumaßnahmen an diesen Straßen vorgenommen werden.) Nach den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) der Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen gehören zu den Wendeanlagen Wendekreise, Wendeschleifen und Wendehämmer. Für diese gelten folgende Mindestvoraussetzungen:

Wendekreis

  • Mindestdurchmesser von 22,0 m (einschließlich der erforderlichen Freiräume für die Fahrzeugüberhänge)
  • Wendekreismitte frei befahrbar (kein Pflanzbeet o. ä.)
  • Berücksichtigung der Schleppkurven der eingesetzten Müllfahrzeuge
  • Mindestbreite der Zufahrt 5,50 m
  • der Wendekreisrand muss frei von Hindernissen wie z. B. Schaltschränke der Telekommunikation oder Elektrizitätsversorgung, Straßenlaternen oder anderen baulichen Einrichtungen sein

Wendeschleife (Wendekreis mit Pflanzinsel)

  • Mindestdurchmesser von 25,0 m (einschl. der erforderlichen Freiräume für die Fahrzeugüberhänge)
  • Wendekreismitte mit einer Pflanzinsel mit einem Maximaldurchmesser von 6 m
  • die Pflanzinsel muss mit einem überfahrbaren Bord ausgestattet sein (kein Hochbord)
  • Mindestbreite der Zufahrt 6,50 m
  • der Wendekreisrand muss frei von Hindernissen wie z. B. Schaltschränke der Telekommunikation oder Elektrizitätsversorgung, Straßenlaternen oder anderen baulichen Einrichtungen sein

Um die Befahrbarkeit sicherzustellen, sind Wendeanlagen an den Abfuhrtagen von parkenden Fahrzeugen freizuhalten. Hier können ggf. verkehrsregelnde Maßnahmen erforderlich werden.

Einrichtung von Sammelplätzen

Bei Wohnwegen, die von Entsorgungsfahrzeugen nicht befahren werden dürfen (z. B. fehlende oder nicht ausreichende Wendeanlage oder zu geringe Fahrbahnbreite), sollten für die Mülltonnen und Wertstoffsäcke der Anlieger entsprechend dimensionierte Sammelplätze im Bereich der Einmündung in die nächste für das Müllfahrzeug befahrbare Straße angelegt werden.

Nach der BGV darf Abfall nur abgeholt werden, wenn die Zufahrt zu den Behälterstandplätzen so angelegt ist, dass ein Rückwärtsfahren nicht erforderlich ist. Aus dieser Regelung ergibt sich bereits ein generelles Rückwärtsfahrverbot im Zusammenhang mit der Behälterleerung.

Dies wird in der Rechtsprechung auch durch zahlreiche Urteile/Beschlüsse bestätigt. Nach Auffassung des VG Düsseldorf (Beschluss vom Juni 2015) folgt aus dieser Bestimmung „ein grundsätzlich ausnahmsloses Rückwärtsfahrverbot“ für Entsorgungsfahrzeuge bei der Abholung von Abfällen.

Zudem dürfen Sackgassen nicht befahren werden, wenn keine geeigneten Wendeanlagen vorhanden sind. Die Abfallsammelgefäße sowie alle anderen Abfälle müssen an der nächsten für das Abfallsammelfahrzeug durchgehend befahrbaren Straße zur Abfuhr bereitgestellt werden.

Mehrere Obergerichte haben in den letzten Jahren entsprechende, erhöhte Pflichten der Abfallbesitzer bejaht, ihre Abfälle oder Abfallbehälter zu einem gesonderten Bereitstellungsplatz – z.T. in deutlicher Entfernung vom Grundstück – zu bringen.

Das OVG Berlin-Brandenburg hat sich in einem Beschluss vom 26.02.2016 im Rahmen eines Berufungszulassungsverfahrens zu der Problematik geäußert. Nach dortiger Auffassung ist es zulässig, den Abfallüberlassungspflichtigen im Rahmen eines bestehenden Holsystems in Einzelfällen und aufgrund örtlicher Besonderheiten eine individuelle Bringpflicht aufzuerlegen. Sofern die besondere Lage eines Grundstücks einen zusätzlichen Aufwand für die Abholung der anfallenden Abfälle verursache, so sei dies grundsätzlich der Sphäre des Abfallbesitzers bzw. -erzeugers zuzurechnen.

Schließlich war den Abfallbesitzern die abverlangte Mitwirkung auch zumutbar: Nach Auffassung des OVG entscheidet die konkrete örtliche Situation unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit darüber, welche Transportstrecke zum Bereitstellungsort zuzumuten ist.

Im konkreten Fall erschien dem OVG der Transport über eine „im Flachen verlaufende, verkehrsarme und durchgängig asphaltierte Straße“ über eine Strecke von ca. 130 m noch als zumutbar.

Der Kreis kann Sammelplätze in einem formellen Verfahren (Verwaltungsakt/ Bescheid) anordnen. Dazu enthält die Abfallwirtschaftssatzung folgende Regelungen:

„§ 9 Abs. 3 – Sind Straßenteile, Straßenzüge und Wohnwege mit den Sammelfahrzeugen nicht befahrbar oder können Grundstücke nur mit unverhältnismäßigem Aufwand angefahren werden, so haben die nach § 4 Verpflichteten die Abfallbehälter an eine durch die Sammelfahrzeuge erreichbare Stelle zu bringen.

Für die Durchführung der Abfallentsorgung gelten die einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften (z.Z. Berufsgenossenschaftliche Vorschriften - BGV C 27).

§ 9 Abs. 4 - Der Kreis ist in diesem Zusammenhang berechtigt, den nächstgelegenen Ort (Stand-/ Sammelplatz) zu bestimmen, an dem die Abfallbehälter bzw. Abfälle vom Verpflichteten bereitzustellen sind“